Es gibt mal wieder etwas Besonderes zu berichten. Und zwar mal wieder Etwas über einen ziemlich
perfekten Tag. Es zeigt sich immer wieder, die schönsten Tage in Australien sind
einfach diejenigen, die man nicht planen und voraussehen kann. Alles ist mal
wieder mehr oder weniger spontan zusammengekommen und herausgekommen ist ein
wunderschöner Tag für den ich Australien einfach so liebe. Ich bin mittlerweile
auch am Höhepunkt meiner australischen Karriere angekommen und ich habe meine
zweite Berufung gefunden. Aber fangen wir mal ganz von vorne an.
Die letzten 2 Wochen war ich ziemlich hart am arbeiten.
Christine hat sich in der Küche an der nagelneuen scharfen Reibe gleich mal ein
schönes Stück Fleisch vom Finger abgeschnitten. Naja, sie musste zum Doktor
nach Norseman fahren, was auch gleichzeitig das Krankenhaus dort ist. Sie wurde
für eine Woche krank geschrieben. Dave musste dann natürlich umorganisieren und
jeder musste nun natürlich etwas mehr schuften, um ihre Stunden zu
kompensieren. Sollte mir natürlich recht sein. So musste ich letzte Woche zum
Teil 12 Stunden Schichten schieben. 8 Uhr Start. 22 Uhr Ende. Aber hey, ich
will mich nicht beschweren., wir sind hier schließlich in Balladonia. Da will jeder
Geld machen ohne Ende. Luke, der jeden Freitag mit dem Truck aus Esperance kommt,
hatte uns vor ein paar Wochen mal angeboten, dass er uns Zeug mitbringen
könnte, falls wir etwas bräuchten. Da alles in Balladonia natürlich wahnsinnig
teuer ist, sind wir natürlich auf dieses nette Angebot zurückgekommen und haben
gleich mal ein paar Bierkisten aus Esperance ohne Dave’s Wissen bestellt. Dave
ist immer ein wenig angepisst, wenn wir Alkohol nicht hier im Roadhouse kaufen,
sondern von woanders kaufen. Aber mal ehrlich. Die Kiste Carlton Dry kostet
hier in Balladonia fast 70$ (~55€). Luke kann uns die gleiche Kiste aus
Esperance schon für 40$ (~32€) besorgen. Als Luke dann eines freitags mit dem
Truck aufschlug, haben wir also ein paar prallgefüllte Bierkisten an Dave
vorbei in unsere Zimmer geschmuggelt :D Ihr seht, die Versorgung läuft in
Balladonia. Normalerweise bekommen wir auch nicht die Gerichte vom a’la carte
Menü. Einen Tag hatte Dave aber anscheinend die Spendierhosen an und lud uns
zum Mitarbeiterdinner ein. Kurzerhand haben wir den Werktisch in der Küche, an
dem sonst Gemüse und alles Mögliche geschnippelt wird, in einen Dinnertisch
umfunktioniert. Jeder durfte ein Gericht vom a’la carte Menü seiner Wahl
suchen. Ich habe mir es natürlich nicht nehmen lassen, dass Scotchfillet zu
bestellen. Es ist das teuerste Gericht überhaupt. Es kostet 32,90$ (~25€). Das
war ein herzhaftet Stück Fleisch sage ich Euch. Super lecker.
Der umfunktionierte Dinnertisch
Mein Scotchfillet
Hochkonzentriert beim Arbeiten
Unsere skandininavischen Mitarbeiter Mari-Liis (Estland) und Heidi (Finnland)
Bewölkter Sonnenuntergang in Balladonia
Irgendwann in den letzten Wochen hatte Dave dann ein neues
Memo an das „Staff Board“ geheftet. Das Staff Board ist die Informationstafel
für alle Mitarbeiter hier. Dort findet man den Schichtplan und alles Mögliche,
was in Balladonia von Interesse sein könnte, was wahrlich nicht sehr Viel ist
;) Jedenfalls dauerte es nicht einmal 1 Minute bis Heidi und ich Dave’s neues
Memo gesehen haben.
Jedes Jahr im März findet der Norseman Cup Day statt, ein
Outback-Pferderennen, zu dem sogar Leute extra aus Perth, Kalgoorlie und
Esperance in dieses kleine Städtchen reisen. Um es anders zu sagen. An diesem
Tag, wahrscheinlich dem einzigsten im Jahr, wird aus der kleinen ruhigen Stadt
mit ein paar tausend Einwohnern eine richtige Kleinstadt von öffentlichem
Interesse. Und alle Besucher sind natürlich durstig. Sehr durstig. Man muss
allerdings eine Lizenz in Australien besitzen, um Alkohol ausschenken zu
dürfen. Da es in Norseman allerdings anscheinend nur einen wirklichen Pub gibt,
gibt es auch nur einen Lizenzinhaber, Clay vom Pub in Norseman. Da Clay jedoch
an diesem Tag den Durst der Besucher im Pub stillen muss, musste ein anderer
Lizenzinhaber für den Ausschank an der Pferderennbahn gefunden werden. Und da
kommt Dave jedes Jahr ins Gespräch, da er anscheinend der nächstegelegene
Lizenzinhaber ist. Jedes Jahr voluntiert er also bei diesem Pferderennen. Und
an der Bar braucht er natürlich dann auch ein paar Arbeitskräfte. Und genau
darum ging es in dem Memo. Dave suchte ein paar Freiwillige für die Bar. Da man
für die Bar ein RSA (Responsible Service of Alcohol – ist so etwas wie eine
Ausschanklizenz für Mitarbeiter) in Australien braucht, kamen also nur Mike,
Mari-Liis, Heidi oder ich in Frage. Bevor also Mike oder Mari-Liis das Memo
sehen konnten, sind Heidi und ich schon zu Dave gesprintet und haben ihm deutlich
gemacht: „Hier, ich will. Nimm mich.“ Heidi und ich sollten also mit Dave am
9.März zum Norseman Cup Day fahren. Es war uns egal, ob die Arbeit bezahlt ist
oder nicht. Einfach mal einen Tag aus Balladonia herauszukommen. Schon allein
das war es wert.
3 Tage vor dem Pferderennen hat mich dann Dave zu einen
persönlichen Gespräch in sein Büro gerufen. Clay vom Pub in Norseman hatte ihn
angerufen. Eine Mitarbeiterin von der Bar sei krank und im Krankenhaus. Sie
bräuchten dringend einen Ersatz für den Tag des Pferderennens. Natürlich wieder
jemand mit RSA. Dave sagte also: „Die brauchen jemanden für Samstag Abend. Du
bist der Einzige, der mir eingefallen ist, der vielleicht Lust hätte dort zu
arbeiten.“ Er fragte mich also, ob ich
nach dem Pferderennen noch für ein paar Stunden für 20$ die Stunde cash
aushelfen könnte. Was für eine Sternstunde in meiner australischen Karriere.
Ich hatte die 20$ total überhört. Das Einzige, was in meinen Ohren schallte,
war das Wort „Pub“. Hat er mich gerade ernsthaft gefragt, ob ich an einen der
geschäftigsten Tage Norsemans im Pub arbeiten möchte? Ich, als richtiger
Barkeeper in einem Outback-Pub?!?! Wahnsinn. Besser geht’s einfach nicht mehr.
Ich meinte mittlerweile bin ich ja schon etwas geübt an der Bar in Balladonia,
aber das ist einfach überhaupt nicht zu vergleichen zu einem richtigen Outbackpub
in einem kleinen Minenstädtchen. Ich war aus dem Häuschen und konnte es mal
wieder nicht fassen, was mir da gerade angeboten wurde.
Letzten Samstag ging es also mit Heidi und Dave früh morgens
auf ins 2 Stunden entfernte Norseman. Dave hat uns zunächst eine halbe Stunde
Zeit gegeben, um ein wenig im örtlichen IGA Supermarkt shoppen zu gehen. Ihr
glaubt gar nicht, wie geil es sich anfühlt, nach 2 Monaten mal wieder in einen
vollgestopften Supermarkt zu kommen. Konsumgüter überall. Ich fühlte mich, als
wäre ich gerade aus einem Entwicklungsland geflohen und habe das erste mal die
Chance ein wenig Luxus für Geld zu kaufen. Dave’s Auto bis zum Rand
vollgestopft ging es also zur Pferderennstrecke. Dort angekommen, haben wir
Trevor wiedergetroffen mit dem ich das alte Roadhouse eingerissen habe. Er hat
uns einen Insidertipp gegeben. Wir sollten eine Wette auf das Pferd 4 im Rennen
4 abschließen. Gar nicht mal ein so schlechter Tipp, wie sich später
herausstellen sollte. Und der Schauplatz war wie erwartet. Eine braun- bis
rotartige Rennbahn. Ringsherum australischer Busch. Im Hintergrund ragt die
Goldmine in die Höhe, welche Norseman wahrscheinlich wirtschaftlich am
Überleben hält. Alles sieht hier nach Marke Eigenbau aus. Outback halt. Ich bin
mit Heidi ein wenig herumgelaufen und wir haben uns ein wenig umgesehen. Pferde
gestreichelt, unseren Arbeitsplatz für den Tag besichtigt (die Bar) und und und.
Als ich von einem erhöhtem Posten an der Rennstrecke wieder runtergekommen bin,
von dem aus ich ein paar Bilder geschossen habe, hat mich jemand angesprochen: „Hast
du alles aufgebaut?“ „Aufgebaut????“ „Bist du nicht der Typ fürs Foto-Finish?“
Ich musste erstmal herzlich lachen. Der Typ hat mich mit meiner Kamera gesehen
und dachte echt, dass ich die Foto-Finishes mache und auswerte :D Genial.
Die Rennstrecke und ringsherum
Im Hintergrund türmt sich die Goldmine auf
Norseman ist die letzte Stadt bevor es auf den 2000km langen
Eyre Highway nach Adelaide gibt. Die letzte Station, um aufzustocken sozusagen.
Es gibt hier eine wirklich riesige BP Tankstelle. Und wie es der Zufall so will
gehört die Tankstelle zur selben Firma, wie unser Roadhouse. Ich habe also
einige unserer Kollegen von der BP in Norseman kennengelernt und Lena aus
Hamburg von der BP Norseman hat an diesem Tag sogar zusammen mit uns an der Bar
gearbeitet. Es hat super Spaß gemacht. Die Frauen, waren mega gestylt und
hatten sündhaft teure und attraktive Kleider an, wie es hier bei den
Pferderennen so üblich ist. Die Leute waren sehr durstig und uns gingen nach
ein paar Stunden schon die ersten Getränke aus. Zum Ende hin wurden die Leute
natürlich auch aufgrund des steigenden Alkoholpegels ein wenig unfreundlicher.
Aber das gehört ja auch irgendwie dazu, einem betrunkenen Outbackcowboy oder
einem zahnlosen Minenarbeiter klar zu machen, dass sie genug getrunken haben
(und wohl besser nach Hause gehen sollten, um über ihr Leben nachzudenken). Ich
fand es jedenfalls super und es war mal wieder eine weitere Erfahrung auf
meiner Reise. Die Pferde haben wir natürlich auch ab und an uns vorbei ziehen
sehen. Wenn hier eines ganz groß in Australien ist, dann ist es Gambling
(Wettspiele). Leute haben hunderte an Dollar auf Pferde gesetzt. Und wir
wollten natürlich ein Teil dessen sein. Wir wollten also jeder mit 5 Dollar
just vor fun eine Wette auf ein Pferd abschließen. Wir hatten natürlich noch
den Insidertipp von Trevor im Hinterkopf. Aber ich traute dem Braten nicht so
ganz. Es gibt 2 Möglichkeiten, auf ein Pferd zu setzen. Winner oder Place. Bei
Winner gewinnt man nur, wenn das Pferd den ersten Platz erreicht. Bei Place
gewinnt man, wenn das gewählte Pferd auf einen der drei ersten Plätze landet. Die
Gewinnquote ist natürlich bei Winner viel höher, aber dafür ist die
Wahrscheinlichkeit zu gewinnen bei Place natürlich viel höher. Ich habe mich
also für Place entschieden. Und es war die goldrichtige Entscheidung. Unser
Pferd landete im Foto-Finish auf dem zweiten Platz. Aus meinem 5$ habe ich also
6,50$ gemacht. 1,50$ Gewinn. Haha, es ist zwar nicht viel, aber das Gefühl
gewonnen zu haben, ist schon toll. Bei jedem Rennen gehen Raunen und
Jubelschreie durch die Menschenmassen. Diese Emotionen sind jedoch
witzigerweise nicht den sportlichen Leistungen der Pferde und ihren Reitern
gewidmet, sondern viel mehr der Gewissheit, dass man gerade unzählige Dollar
gewonnen oder verloren hat. Australier sind Zocker.
Unser Arbeitsplatz: Die Bar
Dann wurde es voll. Das ist übrigens Lena von der BP Tankstelle in Norseman
Heidi kassierte den ganzen Tag
Die High Society Norsemans
Mein Wettticket, dass mir einen Gewinn von 1.50$ gebracht hat.
Und natürlich noch ein paar Bilder von den Pferden in Aktion
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