Seiten

.

.

Montag, 11. März 2013

Norseman Cup Day - Teil I

Es gibt mal wieder etwas Besonderes zu berichten. Und zwar mal wieder Etwas über einen ziemlich perfekten Tag. Es zeigt sich immer wieder, die schönsten Tage in Australien sind einfach diejenigen, die man nicht planen und voraussehen kann. Alles ist mal wieder mehr oder weniger spontan zusammengekommen und herausgekommen ist ein wunderschöner Tag für den ich Australien einfach so liebe. Ich bin mittlerweile auch am Höhepunkt meiner australischen Karriere angekommen und ich habe meine zweite Berufung gefunden. Aber fangen wir mal ganz von vorne an. 

Die letzten 2 Wochen war ich ziemlich hart am arbeiten. Christine hat sich in der Küche an der nagelneuen scharfen Reibe gleich mal ein schönes Stück Fleisch vom Finger abgeschnitten. Naja, sie musste zum Doktor nach Norseman fahren, was auch gleichzeitig das Krankenhaus dort ist. Sie wurde für eine Woche krank geschrieben. Dave musste dann natürlich umorganisieren und jeder musste nun natürlich etwas mehr schuften, um ihre Stunden zu kompensieren. Sollte mir natürlich recht sein. So musste ich letzte Woche zum Teil 12 Stunden Schichten schieben. 8 Uhr Start. 22 Uhr Ende. Aber hey, ich will mich nicht beschweren., wir sind hier schließlich in Balladonia. Da will jeder Geld machen ohne Ende. Luke, der jeden Freitag mit dem Truck aus Esperance kommt, hatte uns vor ein paar Wochen mal angeboten, dass er uns Zeug mitbringen könnte, falls wir etwas bräuchten. Da alles in Balladonia natürlich wahnsinnig teuer ist, sind wir natürlich auf dieses nette Angebot zurückgekommen und haben gleich mal ein paar Bierkisten aus Esperance ohne Dave’s Wissen bestellt. Dave ist immer ein wenig angepisst, wenn wir Alkohol nicht hier im Roadhouse kaufen, sondern von woanders kaufen. Aber mal ehrlich. Die Kiste Carlton Dry kostet hier in Balladonia fast 70$ (~55€). Luke kann uns die gleiche Kiste aus Esperance schon für 40$ (~32€) besorgen. Als Luke dann eines freitags mit dem Truck aufschlug, haben wir also ein paar prallgefüllte Bierkisten an Dave vorbei in unsere Zimmer geschmuggelt :D Ihr seht, die Versorgung läuft in Balladonia. Normalerweise bekommen wir auch nicht die Gerichte vom a’la carte Menü. Einen Tag hatte Dave aber anscheinend die Spendierhosen an und lud uns zum Mitarbeiterdinner ein. Kurzerhand haben wir den Werktisch in der Küche, an dem sonst Gemüse und alles Mögliche geschnippelt wird, in einen Dinnertisch umfunktioniert. Jeder durfte ein Gericht vom a’la carte Menü seiner Wahl suchen. Ich habe mir es natürlich nicht nehmen lassen, dass Scotchfillet zu bestellen. Es ist das teuerste Gericht überhaupt. Es kostet 32,90$ (~25€). Das war ein herzhaftet Stück Fleisch sage ich Euch. Super lecker.

Der umfunktionierte Dinnertisch

 Mein Scotchfillet


 Hochkonzentriert beim Arbeiten


Unsere skandininavischen Mitarbeiter Mari-Liis (Estland) und Heidi (Finnland)


 Bewölkter Sonnenuntergang in Balladonia


Irgendwann in den letzten Wochen hatte Dave dann ein neues Memo an das „Staff Board“ geheftet. Das Staff Board ist die Informationstafel für alle Mitarbeiter hier. Dort findet man den Schichtplan und alles Mögliche, was in Balladonia von Interesse sein könnte, was wahrlich nicht sehr Viel ist ;) Jedenfalls dauerte es nicht einmal 1 Minute bis Heidi und ich Dave’s neues Memo gesehen haben.
Jedes Jahr im März findet der Norseman Cup Day statt, ein Outback-Pferderennen, zu dem sogar Leute extra aus Perth, Kalgoorlie und Esperance in dieses kleine Städtchen reisen. Um es anders zu sagen. An diesem Tag, wahrscheinlich dem einzigsten im Jahr, wird aus der kleinen ruhigen Stadt mit ein paar tausend Einwohnern eine richtige Kleinstadt von öffentlichem Interesse. Und alle Besucher sind natürlich durstig. Sehr durstig. Man muss allerdings eine Lizenz in Australien besitzen, um Alkohol ausschenken zu dürfen. Da es in Norseman allerdings anscheinend nur einen wirklichen Pub gibt, gibt es auch nur einen Lizenzinhaber, Clay vom Pub in Norseman. Da Clay jedoch an diesem Tag den Durst der Besucher im Pub stillen muss, musste ein anderer Lizenzinhaber für den Ausschank an der Pferderennbahn gefunden werden. Und da kommt Dave jedes Jahr ins Gespräch, da er anscheinend der nächstegelegene Lizenzinhaber ist. Jedes Jahr voluntiert er also bei diesem Pferderennen. Und an der Bar braucht er natürlich dann auch ein paar Arbeitskräfte. Und genau darum ging es in dem Memo. Dave suchte ein paar Freiwillige für die Bar. Da man für die Bar ein RSA (Responsible Service of Alcohol – ist so etwas wie eine Ausschanklizenz für Mitarbeiter) in Australien braucht, kamen also nur Mike, Mari-Liis, Heidi oder ich in Frage. Bevor also Mike oder Mari-Liis das Memo sehen konnten, sind Heidi und ich schon zu Dave gesprintet und haben ihm deutlich gemacht: „Hier, ich will. Nimm mich.“ Heidi und ich sollten also mit Dave am 9.März zum Norseman Cup Day fahren. Es war uns egal, ob die Arbeit bezahlt ist oder nicht. Einfach mal einen Tag aus Balladonia herauszukommen. Schon allein das war es wert.
3 Tage vor dem Pferderennen hat mich dann Dave zu einen persönlichen Gespräch in sein Büro gerufen. Clay vom Pub in Norseman hatte ihn angerufen. Eine Mitarbeiterin von der Bar sei krank und im Krankenhaus. Sie bräuchten dringend einen Ersatz für den Tag des Pferderennens. Natürlich wieder jemand mit RSA. Dave sagte also: „Die brauchen jemanden für Samstag Abend. Du bist der Einzige, der mir eingefallen ist, der vielleicht Lust hätte dort zu arbeiten.“ Er fragte mich also,  ob ich nach dem Pferderennen noch für ein paar Stunden für 20$ die Stunde cash aushelfen könnte. Was für eine Sternstunde in meiner australischen Karriere. Ich hatte die 20$ total überhört. Das Einzige, was in meinen Ohren schallte, war das Wort „Pub“. Hat er mich gerade ernsthaft gefragt, ob ich an einen der geschäftigsten Tage Norsemans im Pub arbeiten möchte? Ich, als richtiger Barkeeper in einem Outback-Pub?!?! Wahnsinn. Besser geht’s einfach nicht mehr. Ich meinte mittlerweile bin ich ja schon etwas geübt an der Bar in Balladonia, aber das ist einfach überhaupt nicht zu vergleichen zu einem richtigen Outbackpub in einem kleinen Minenstädtchen. Ich war aus dem Häuschen und konnte es mal wieder nicht fassen, was mir da gerade angeboten wurde.

Letzten Samstag ging es also mit Heidi und Dave früh morgens auf ins 2 Stunden entfernte Norseman. Dave hat uns zunächst eine halbe Stunde Zeit gegeben, um ein wenig im örtlichen IGA Supermarkt shoppen zu gehen. Ihr glaubt gar nicht, wie geil es sich anfühlt, nach 2 Monaten mal wieder in einen vollgestopften Supermarkt zu kommen. Konsumgüter überall. Ich fühlte mich, als wäre ich gerade aus einem Entwicklungsland geflohen und habe das erste mal die Chance ein wenig Luxus für Geld zu kaufen. Dave’s Auto bis zum Rand vollgestopft ging es also zur Pferderennstrecke. Dort angekommen, haben wir Trevor wiedergetroffen mit dem ich das alte Roadhouse eingerissen habe. Er hat uns einen Insidertipp gegeben. Wir sollten eine Wette auf das Pferd 4 im Rennen 4 abschließen. Gar nicht mal ein so schlechter Tipp, wie sich später herausstellen sollte. Und der Schauplatz war wie erwartet. Eine braun- bis rotartige Rennbahn. Ringsherum australischer Busch. Im Hintergrund ragt die Goldmine in die Höhe, welche Norseman wahrscheinlich wirtschaftlich am Überleben hält. Alles sieht hier nach Marke Eigenbau aus. Outback halt. Ich bin mit Heidi ein wenig herumgelaufen und wir haben uns ein wenig umgesehen. Pferde gestreichelt, unseren Arbeitsplatz für den Tag besichtigt (die Bar) und und und. Als ich von einem erhöhtem Posten an der Rennstrecke wieder runtergekommen bin, von dem aus ich ein paar Bilder geschossen habe, hat mich jemand angesprochen: „Hast du alles aufgebaut?“ „Aufgebaut????“ „Bist du nicht der Typ fürs Foto-Finish?“ Ich musste erstmal herzlich lachen. Der Typ hat mich mit meiner Kamera gesehen und dachte echt, dass ich die Foto-Finishes mache und auswerte :D Genial.

Die Rennstrecke und ringsherum




Im Hintergrund türmt sich die Goldmine auf


Norseman ist die letzte Stadt bevor es auf den 2000km langen Eyre Highway nach Adelaide gibt. Die letzte Station, um aufzustocken sozusagen. Es gibt hier eine wirklich riesige BP Tankstelle. Und wie es der Zufall so will gehört die Tankstelle zur selben Firma, wie unser Roadhouse. Ich habe also einige unserer Kollegen von der BP in Norseman kennengelernt und Lena aus Hamburg von der BP Norseman hat an diesem Tag sogar zusammen mit uns an der Bar gearbeitet. Es hat super Spaß gemacht. Die Frauen, waren mega gestylt und hatten sündhaft teure und attraktive Kleider an, wie es hier bei den Pferderennen so üblich ist. Die Leute waren sehr durstig und uns gingen nach ein paar Stunden schon die ersten Getränke aus. Zum Ende hin wurden die Leute natürlich auch aufgrund des steigenden Alkoholpegels ein wenig unfreundlicher. Aber das gehört ja auch irgendwie dazu, einem betrunkenen Outbackcowboy oder einem zahnlosen Minenarbeiter klar zu machen, dass sie genug getrunken haben (und wohl besser nach Hause gehen sollten, um über ihr Leben nachzudenken). Ich fand es jedenfalls super und es war mal wieder eine weitere Erfahrung auf meiner Reise. Die Pferde haben wir natürlich auch ab und an uns vorbei ziehen sehen. Wenn hier eines ganz groß in Australien ist, dann ist es Gambling (Wettspiele). Leute haben hunderte an Dollar auf Pferde gesetzt. Und wir wollten natürlich ein Teil dessen sein. Wir wollten also jeder mit 5 Dollar just vor fun eine Wette auf ein Pferd abschließen. Wir hatten natürlich noch den Insidertipp von Trevor im Hinterkopf. Aber ich traute dem Braten nicht so ganz. Es gibt 2 Möglichkeiten, auf ein Pferd zu setzen. Winner oder Place. Bei Winner gewinnt man nur, wenn das Pferd den ersten Platz erreicht. Bei Place gewinnt man, wenn das gewählte Pferd auf einen der drei ersten Plätze landet. Die Gewinnquote ist natürlich bei Winner viel höher, aber dafür ist die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen bei Place natürlich viel höher. Ich habe mich also für Place entschieden. Und es war die goldrichtige Entscheidung. Unser Pferd landete im Foto-Finish auf dem zweiten Platz. Aus meinem 5$ habe ich also 6,50$ gemacht. 1,50$ Gewinn. Haha, es ist zwar nicht viel, aber das Gefühl gewonnen zu haben, ist schon toll. Bei jedem Rennen gehen Raunen und Jubelschreie durch die Menschenmassen. Diese Emotionen sind jedoch witzigerweise nicht den sportlichen Leistungen der Pferde und ihren Reitern gewidmet, sondern viel mehr der Gewissheit, dass man gerade unzählige Dollar gewonnen oder verloren hat. Australier sind Zocker.




Unser Arbeitsplatz: Die Bar



 Dann wurde es voll. Das ist übrigens Lena von der BP Tankstelle in Norseman


Heidi kassierte den ganzen Tag


Die High Society Norsemans


Mein Wettticket, dass mir einen Gewinn von 1.50$ gebracht hat.


Und natürlich noch ein paar Bilder von den Pferden in Aktion



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen