Und es passierte schon wieder etwas Überraschendes. Letzten
Freitag war ich wie gewohnt beim Container ausladen auf Arbeit. Dann hat uns
Pete, unser Supervisor, erzählt, dass am Montag mal wieder Public Holiday
(Feiertag) ist. Es ist unglaublich wie viele Feiertage die hier in Australien
haben. Und jetzt kommt das Beste. Ganz Darwin hat frei, damit sie zu einem
Pferderennen gehen können. Ja, einem Pferderennen. Dem Darwin Cup Day. In
Deutschland wäre ich froh gewesen über so viele Feiertage, aber hier ist jeder
Tag des Nicht-Arbeitens ein verschenkter Tag, an dem man keinen einzigen Cent
verdient.
Ich habe mich auf ein langes Wochenende vorbereitet. Dann
hat mir doch aber tasächlich Top End Consulting eine SMS geschrieben. Erinnert
ihr Euch? Ich habe mich vor ca. 2 Monaten mal bei Top End Consulting
registrieren lassen, weil sie Arbeitskräfte für den Darwin Carnival gesucht
haben. Die hatten mich auch zwischenzeitlich mal angerufen. Abends 9:30 Uhr, ob
ich nicht den nächsten Tag beim Ladies Day arbeiten könnte. Da ich aber leider
kein weißes Hemd hatte, musste ich passen. Eigentlich dachte ich, dass sie ein
wenig sauer auf mich waren und sich nie wieder melden würden. Naja, jedenfalls
ist der Darwin Cup Day ein Teil des Carnivals und in der SMS wurde ich gefragt,
ob ich am Montag für den Darwin Cup Day verfügbar wäre. Hey, das passt doch mal
wieder wie die Faust aufs Auge. Am Montag haben wir frei im Lagerhaus wegen
diesem Pferderennen und ausgerechnet auf diesem Pferderennen soll ich nun
Montags arbeiten J
Ich habe natürlich zugesagt. Am Samstag hat man mich dann nochmal angerufen und
mir die Details für Montag gegeben. Also eines muss man Australien echt lassen.
Die Türen zu sämtlichen Jobs scheinen dir hier offen zu stehen. Nachdem ich
mich hier schon in einigen Bereichen versucht habe, ging es dieses Mal in einen
komplett neuen Bereich mit dem ich vorher noch nie in Kontakt bekommen bin. Ich
sollte an der Bar und als Kellner arbeiten. Wahnsinn. Das wollte ich schon
immer mal machen. Nun habe ich die Chance auf diesem Pferderennen.
Sonntag habe ich mir dann noch das weiße Hemd gekauft.
Schwarze Hose hatte ich ja schon und dann ging es Montag morgen auf zur
Rennstrecke in Fannie Bay. Noch wusste ich nicht genau was meine Aufgabe sein
wird. Wir mussten uns dann registrieren und haben Armbändchen bekommen. Und
dann wurde es Ernst. Ich wurde im Centrefield in der Corporate Area eingesetzt.
Das Centrefield ist der Teil innerhalb des
Kursovals wo sich australische Firmen Privatzelte gemietet haben (Corporate
Area), um sich das Pferderennen anzuschauen. Also eine Art VIP Area. Ich wurde
mit 2 Anderen für die Firma Geminex eingeteilt. Unsere Aufgabe bestand darin
den insgesamt 66 VIP Gästen von Geminex Drinks (Bier, Wein, Longdrinks etc.)
und kleines Fingerfood zu servieren. Ich war ziemlich nervös, denn es war mein
erster Job in Australien, wo ich in direktem Kontakt mit Kunden treten musste.
Und die Gäste waren keine 08/15-Gäste, es waren Gäste der gehobeneren Schicht
Australiens. Puh, keine leichte Aufgabe, zumal ich das nie zuvor gemacht habe
und auch noch relativ fließend in Englisch kommunizieren musste. Ok, der
Startschuss ist gefallen für Job Nummer 5 in Darwin. Dieses Mal für Sebastian,
den Kellner und Barkeeper.
Die ersten Gäste kamen und ich war ziemlich entzückt. Also
die Australier haben echt Stil. Die Frauen in feinsten Kleidern, absolut
„dressed up“, Federn und Blumen in den Haaren, die Männer mit feinen Hemden und
Anzügen. Oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet? Ich als kleiner armer
Backpacker soll der High Society Australiens Drinks servieren? Challenge
accepted ;) Ich setzte mein schönstes Lächeln auf für diesen Tag. Das Hemd noch
einmal zurecht gerückt, Haltung angenommen und auf ging es. Schnell merkte ich,
dass es gar nicht so schwer ist. Sätze wie „What would you like to drink?“, „
How can I help you?“ oder mein absoluter Lieblingssatz “You’re welcome” :D rutschten
mir bald automatisch über die Lippen. Hauptsache immer schön freundlich sein
und lächeln dabei. Die Australier sind ein absolut nettes Volk. Trotz des
gehobeneren Niveaus hatten sie nichts auszusetzen, hatten keine Extrawünsche
und waren die ganze Zeit absolut freundlich.
Eines fand ich aber absolut komisch. Unser Zelt war meiner Meinung nach
soweit von der Rennstrecke entfernt, dass man die Pferderennen gar nicht live
verfolgen konnte. Warum bezahlt eine Firma mehrere tausend Dollar für ein Zelt
bei einem Pferderennen, wo eigentlich alle Gäste den ganzen Tag nur im Zelt mit
Essen und Trinken beschäftigt sind und das eigentliche Rennen nur auf dem
privaten Fernsehbildschirm im Zelt anschauen? Kann mir ja auch egal sein, ohne die Spendierhosen dieser Firma hätte ich
an diesem Tag ja auch kein Job gehabt. Im Laufe des Nachmittags floss natürlich
immer mehr Alkohol und die Gäste wurden aufgeschlossener. Mittlerweile sprachen
mich die Gäste von Geminex schon mit Vornamen an „Sebastian, kannst du bitte…“
Der Job war easy, wir waren überhaupt nicht richtig gefordert. Ich habe also
mal wieder meine eigene kleine Herausforderung gesucht. Ich wollte irgendeinen
der Gäste dazu bringen mir Trinkgeld zu geben. Das war keine leichte Aufgabe,
weil die Firma ja auch schon für alles im Voraus bezahlt hatte. Ich habe mich
also vor allem den Frauen im Zelt zugewendet und mein Charme spielen lassen.
Immer wieder bin ich mit Weißwein, Rotwein, Champagner und Longdrinks vorbei
gekommen und habe aufgefuellt, was das Zeug hält. Es schien aussichtlos. Aber
dann, als die Gäste gerade dabei waren das Zelt zu verlassen, hat sich doch
eine der Damen tatsächlich dazu durchgerungen mir 10$ Trinkgeld zu geben. Ich
konnte es nicht glauben. 10$ sind nicht viel. Aber für mich ist das wie eine 1+
in der Schule. Ich habe nie gekellnert vorher, habe nie auf Englisch mit Kunden
zu tun gehabt und nun honoriert eine Dame meine offensichtlich sehr charmante
Freundlichkeit, mein Auftreten im Zelt und meine anscheinend doch mittlerweile
ausgeprägteren Sprachkenntnisse mit 10$. Das ist fantastisch. Ich fühlte mich
echt gut. Wieder mal einen Job im fernen Australien bravurös gemeistert :)
Es gab 23$ die Stunde. Ich habe also um die 200$ für diesen
Tag bekommen. Das ist völlig OK, da ich ja zudem auch ein wenig von der
Atmosphäre eines populären Pferderennens schnuppern durfte und nun endlich auch
in meinen Lebenslauf schreiben kann, dass ich auch schon gekellnert habe. Die
Atmosphäre hat mich ein wenig an die Australian Open in Melbourne erinnert. Die
Australier sind absolute Sportfanatiker. Hier haben sie wieder tausende Dollar
in Pferdewetten verzockt. In den Zelten hörte man manchmal nur eine gellendes
„YES!!!“ oder ein dumpfes Raunen, wenn das Geld mal wieder zum Fenster
herausgeschmissen wurde.
Es war für mich eine echt schöne Erfahrung, weil es mal
wieder etwas komplett Neues war. In was auch immer man sich mal versuchen
möchte, hier in Australien, bekommst du die Chance dazu. Mittlerweile habe ich
richtig Lust einfach mal jeden Job hier für ein paar Tage oder Wochen zu
machen.
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